Hitzeschutz: 10-Punkte Plan

Hitzeschutz: 10-Punkte Plan

Hitze ist die größte klimawandelbedingte Gesundheitsgefahr in Deutschland. Die Auswirkungen sind vielfältig und gravierend: während Hitzewellen steigt die Wahrscheinlichkeit von Frühgeburten um 20 Prozent, psychische Krankheitsbilder verschlimmern sich und die Zahl der Rettungsdiensteinsätze steigt. Pro Jahr versterben etwa 3000 Menschen in Deutschland aufgrund von Hitze. Etwa 2/3 dieser hitzebedingten Todesfälle lassen sich auf die Klimakrise zurückführen.

Besonders gefährdet sind vulnerable Gruppen wie alte Menschen, chronisch Erkrankte, Schwangere, Kinder sowie Menschen ohne festen Wohnsitz, die kaum Möglichkeiten zum Schutz vor extremer Hitze haben. Auch für diejenigen, die im Freien arbeiten – etwa auf Baustellen oder im Bereich der Abfallentsorgung – steigen die Gesundheitsbelastungen und das Risiko für hitzebedingte Erkrankungen wie Hautkrebs deutlich an. Insbesondere sozial benachteiligte Menschen in Städten sind der Hitze ausgesetzt, da sie häufig in dicht bebauten, verkehrlich stark frequentierten Gegenden leben, in denen viel Beton auf wenig Grünflächen trifft. Hitzeschutz ist somit auch ein Gerechtigkeitsthema.

In der vergangenen Legislaturperiode wurden erste wichtige Schritte unternommen, um den Hitzeschutz in Deutschland zu verbessern. Doch im schwarz-roten Koalitionsvertrag findet das Gesundheitsrisiko Hitze keinerlei Erwähnung. Damit bleibt der Hitzeschutz in Deutschland ein Flickenteppich: Es fehlt an klaren Zuständigkeiten und einer gesicherten Finanzierung. Mit dem Beschluss des Fraktionsvorstands der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wurde bereits ein Grundstein für einen verbesserten Hitzeschutz aufgestellt. Darauf aufbauend fordern wir die Bundesregierung auf, folgende konkrete Maßnahmen umzusetzen:


1. Hitzeschutz endlich ernst nehmen

Es braucht endlich einen umfassenden, ressortübergreifenden Hitzeschutzplan für Deutschland. Die neue Bundesregierung muss den “Hitzeschutzplan für Gesundheit” der Ampel-Regierung umsetzen und sektorübergreifend ausbauen. Außerdem sollte das Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD) so ausgebaut werden, dass es alle Menschen frühzeitig und zuverlässig erreicht und, z.B. per SMS, über Hitzewellen informiert.

2. Hitzeschutz ausreichend finanzieren

Hitzeschutz passiert vor Ort. Damit jede Kommune ihre Anwohner*innen schützen kann, braucht es flächendeckend Hitzeaktionspläne, aber vor allem auch die nötige Finanzierung zur Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen. Wir fordern daher, Mittel aus dem Sondervermögen und dem Bundeshaushalt auch verstärkt für den Hitzeschutz zu verwenden. Denn der Auf- und Umbau von Infrastruktur muss klimaangepasst umgesetzt werden. Das bedeutet konkret: Bei allen Vorhaben muss die blau-grüne Infrastruktur, also die strategische Gestaltung von Grün- und Wasserflächen, mitgeplant werden.

3. Patient*innen, Personal und pflegende Angehörige schützen

Alte und chronisch kranke Menschen, Babys, Kleinkinder und Schwangere leiden unter Hitze – aber auch das Personal in Gesundheitseinrichtungen, in der ambulanten Pflege, sowie pflegende Angehörige. Wir fordern 200 Euro pro pflegebedürftiger Person für den Einbau von Klima- und Hitzeschutzmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen, beispielsweise die Anschaffung von Klimageräten. Hitzeschutz muss außerdem fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsberufen werden – inklusive Informationen zu hitzebedingten Risiken und Medikamentenwirkungen.

4. Klimaschutz in Gesundheitseinrichtungen

Unser Gesundheitswesen leidet nicht nur unter den Auswirkungen der Klimakrise, sondern verursacht sie auch mit. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen nicht nur vor Hitze geschützt, sondern auch selbst klimaneutral werden, denn sie haben sehr hohen Energieverbrauch. Wir fordern, dass ein Förderprogramm “Green Hospitals” von 5 Milliarden Euro aufgesetzt wird, um unter anderem in Photovoltaikanlagen, Wärme- und Kälteerzeugung und Lüftungsanlagen zu investieren.

5. Seelische Folgen von Hitze in den Blick nehmen

Seelische Folgen von Hitze werden bislang zu wenig beachtet. Studien zeigen, dass Hitzewellen Symptome psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Psychosen verstärken und die Zahl der Suizide steigt. Hitzeschutzpläne müssen auch den Schutz der psychischen Gesundheit umfassen, Prävention und Aufklärung müssen ausgebaut werden, und psychiatrische Einrichtungen brauchen gezielte Unterstützung für Hitzewellen.

6. Hitze-Bus und mobile Kühlteams

Wie im Winter den Kältebus, soll es im Sommer den Hitzebus geben: Mobile Kühlteams verteilen kostenlos Wasser, leisten Erste Hilfe und beraten Wohnungslose Menschen direkt auf der Straße. Niedrigschwellige Informationsangebote in mehreren Sprachen werden flächendeckend umgesetzt. Dabei wird z.B. mit sogenannten “Kühlkarten” darüber informiert, wo es den nächsten Trinkbrunnen oder einen Park mit Schattenplätzen gibt. An zentralen Orten, an öffentlichen Badestellen und in Schwimmbädern sollen kostenlose Sonnencremespender installiert werden.

7. Kühlpflicht für den öffentlichen Raum

Der öffentliche Raum muss hitzefest werden: Spielplätze und Schulhöfe sowie Haltestellen im öffentlichen Nahverkehr müssen beschattet und begrünt werden. An zentralen Orten muss es mehr öffentliche Trinkbrunnen geben. In jeder Kommune sollen sogenannte „Cool Zones“ entstehen – klimatisierte Räume mit kostenlosem Trinkwasser, WLAN und medizinischer Erstversorgung. Die öffentliche Hand sollte hier aus Vorbild fungieren und gemeinschaftliche Gebäude, wie beispielsweise Bibliotheken oder Rathäuser kühl halten und dafür zur Verfügung stellen. Staatliche Museen sollen an Hitzetagen kostenfrei zugänglich werden, um allen Menschen zu ermöglichen, sich im kühlen aufzuhalten. Wir wollen auch insgesamt mehr Schwimmbäder in den Gemeinden schaffen und den Eintritt für alle Menschen ermöglichen.

8. Grün statt Grau

Wir wollen, dass alle Menschen ausreichend Zugang zu “Grünen Oasen” haben und setzen uns daher besonders in urbanen Gebieten für mehr Stadtgrün ein. Bei Hitze bieten Parks mit Bäumen kühle und kostenlose Aufenthaltsorte, was besonders für vulnerable Gruppen lebenswichtig ist. Insbesondere an dicht besiedelten Orten trifft jedoch viel Beton auf wenig Natur. Daher wollen wir mehr “Kühle Meilen” - also begrünte und z.T. entsiegelte sowie verkehrsberuhigte Straßen - realisieren, um mehr Schattenplätze und Aufenthaltsqualität an heißen Tagen zu schaffen. Wenn neue Infrastruktur gebaut wird, muss diese klimaangepasst realisiert werden – beispielsweise kühlen begrünte Fassaden im Sommer, halten Wasser und wärmen im Winter, weißer Asphalt heizt sich weniger auf.

9. Hitzepause am Arbeitsplatz

Maßnahmen zum Hitzeschutz am Arbeitsplatz, wie angepasste Arbeitszeiten, und das Recht auf Hitzefrei müssen gesetzlich verankert werden. Insbesondere im Niedriglohnsektor, wo Beschäftigte oft im Freien arbeiten, braucht es besseren Schutz. Dafür muss der gesetzliche Arbeitsschutz erweitert und bei Hitzebelastung konsequent angewendet werden. Verbindliche Temperaturgrenzen und Schutzpausen müssen eingehalten werden.

10. Klare Zahlen für wirksamen Hitzeschutz

Bei Hitze gilt: Wir kennen die notwendigen Maßnahmen – jetzt kommt es auf die konsequente Umsetzung an. Es braucht wissenschaftlich fundierte und regelbasierte Schwellenwerte, an denen verpflichtende Maßnahmen greifen. Gleichzeitig bleibt eine solide Datengrundlage unerlässlich, um den Hitzeschutz wirksam evaluieren zu können. Deshalb fordern wir, das Monitoring der hitzebedingten Mortalität durch das Robert Koch-Institut weiter auszubauen. Darüber hinaus braucht es verlässliche Zahlen zu weiteren relevanten Themen, wie zum Beispiel zur Schnittstelle zwischen Hitze und Luftverschmutzung, damit Policy-Empfehlungen endlich umgesetzt werden.